Isaac Justice

Zellmembran auf das Wesentliche reduziert

Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden haben Zellen mit einer Membran geschaffen, die mit erstaunlich wenigen notwendigen Lipidarten auskommt. Die so geschaffenen Minimalzellen sollen eine Plattform für die synthetische Biologie bieten.

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Wie wenig braucht eine Zelle zum Leben? Die Frage beschäftigte schon den Genetikpionier Craig Venter, als er das Konzept des Minimalgenoms entwickelte. Wie viele Lipide hingegen die Zellmembran funktionstüchtiger Zellen benötigt, hat nun ein Forschungsteam vom B Cube Center for Molecular Bioengineering der Technischen Universität Dresden im Fachmagazin Nature Communications gezeigt. Die Wissenschaftler erschufen eine Zelle mit einer Minimalmembran aus nur zwei Arten von Lipiden, die für verschiedene Anwendungen sehr nützlich sein könnten.

Für ihre Untersuchungen benutzten die Dresdner Forscher das pathogene Bakterium Mycoplasma mycoides. Dass diese parasitär lebenden Bakterien keine Organellen und ein besonders kleines Genom haben, ist ebenso vorteilhaft wie die Tatsache, dass sie keine eigenen Lipide herstellen können und stattdessen die des Wirtes nutzen. Durch die systematische Ergänzung dieser Zellen mit verschiedenen Lipiden ließ sich eine Kombination identifizieren, die für das Überleben und die Zellteilung erforderlich ist. Damit die Bakterien die erhaltenen Lipide nicht in andere umwandeln, mussten diese zuvor bewusst chemisch modifiziert werden. Als überlebensnotwendige Diät erwiesen sich schließlich Cholesterin und Phosphatidylcholin.

Diese beiden Lipide seien laut den Studienautoren nicht unbedingt die einzigen, die Leben ermöglichen würden. Als grundlegende Voraussetzung wird jedoch mindestens ein geeignetes Lipid benötigt, um die Doppelschicht zu bilden, und eines wie Cholesterin, das der Membran Stabilität verleiht. Trotz des limitierten Lipidoms erschienen die meisten Zellen normal und teilten sich problemlos. Das mag verwundern angesichts einer Vielfalt von hunderten verschiedenen Lipidarten in menschlichen Zellen. Wie und warum so viele Lipide entstanden sind und benötigt werden, ist eine Frage, welche die Forschungsgruppe ebenso beschäftigt wie deren Einsatzmöglichkeiten für die synthetische Biologie.

Die erste synthetische Zelle stellte Craig Venters Team 2010 vor, eine spätere Version von Mycoplasma mycoides (JCVI-syn3.0) kam mit einem minimalen Genom mit nur 473 Genen aus. Auf diese Zelle wandte das Forschungsteam seine Methode an, um eine Zelle mit minimalem Genom und mit minimalem Lipidom zu erschaffen, die ein leistungsstarkes Werkzeug für die synthetische Biologie bietet. Im Bottom-up-Prinizp lässt sich nun die Komplexität verschiedener Lipide auf systematische Weise schrittweise wieder in die Membran einführen, um deren Auswirkungen zu untersuchen. Mit diesem einfachen und anpassungsfähigen Membranmodellsystem kann sowohl eine optimierte Membranzusammensetzung gefunden als auch die Evolution von Membranen nachempfunden werden.

„Indem wir die minimalen Lipidanforderungen für eine lebende Zelle finden, haben wir nun eine experimentelle Plattform, um zu verstehen, warum bestimmte Lipidstrukturen entstanden sind und wie sie das Leben unterstützen“, erklärte Studienleiter Dr. James P. Sáenz. „Dieses Wissen könnte uns eines Tages helfen, synthetische Zellen mit maßgeschneiderten Membranen für spezielle Anwendungen in der Biotechnologie und Medizin zu entwerfen.“

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